In Zeiten, wo die Grenzen von Original und Kopie verschwimmen, nicht nur die Hand durch die Technik ersetzt wird, sondern längst auch die ‘Natur im Zeitalter ihrer technischen Reproduzierbarkeit’ (Gernot Böhme) angelangt ist, gibt sich die Malerin und Zeichnerin Ursula Goeb als Hand-Werkerin. In dem sie den Materialcharakter betont, in den Bildern gespachtelte Mischtechniken mit marmorartiger Transparenz oder einer dem Aquarell entlehnten Aleatorik korrespondieren, stellt uns die Künstlerin nicht vor figurative sondern vor haptische Realitäten. Als Gegenpol schwingt das Geistige mit, wenn uns die Köpfe, Insekten, Giraffen oder Käfer in organische Rhythmen oder naturnahe Räume führen, die außerhalb von Landschaft und Urbanität eine eigene Welt hervorbringen.
Die Kompositionen transformieren das Material selbst zum Bedeutungsträger und weisen damit - bei aller Abstraktion - auf eine konkrete, greifbare Dinglichkeit in der Bildwelt zurück. Die Simultaneität verschiedener Malsubstanzen und Bildgewebe hält tragende und labile Momente im subtilen Gleichgewicht, ähnlich einem Baukastenprinzip. Goeb vereint organische und tektonische Momente, baut ihre Bilder bisweilen aus bestehenden Skizzen und Zeichnungen zusammen, ohne das Recycling-Verfahren zu retuschieren. Wie ein Schutz legen sich diese Materialgefilde um die kleinen Wesen oder werden im Gegenzug von ihnen gesprengt.
Was zunächst abstrakt anmutet, zeugt zugleich von tiefen und delikaten Beobachtungen. Als Fotografin und Zeichnerin hat Ursula Goeb über ein Jahrzehnt zoologische Studien begleitet. Bisweilen ist die Künstlerin dabei in die Rolle der biologischen Assistentin geschlüpft und hat selbst Hand angelegt. Diese Erfahrungen fließen in ihre Bild- und Motivwelt immer wieder ein, als Durchdringung der beiden Disziplinen Forschung und Kunst.
Die Ausgangspunkte sind konkreter Natur, und die Titel untermauern den stofflichen Grundgehalt: Hand, Kopf, Insekt, Figur, Metamorphose. Auf der Schwelle von Physis und Sublimem scheinen sich persönliche Erfahrungs-Sedimente in den Arbeiten von Ursula Goeb abzulagern. Sie münden jedoch nicht im Abbild eines Tieres sondern evozieren vielmehr das Gefühl, dem Verpuppungsstadium eines Käfers beizuwohnen. Im "Insektenkampf" beschreibt das Lineament einerseits die Flügel samt ihrer Bewegung und andererseits den Eigenwert der Linie, der uns dann wiederum in den "Metamorphosen" als feines Gespinst daran teilhaben lässt, wenn der Kokon einer Larve birst.
Berlin, März 2005